Der größte Triumph des ETB Schwarz-Weiß Essen ist heute genau 61 Jahre her. Am 27.12.1959 wurde unser ETB in Kassel DFB-Pokalsieger durch einen 5:2-Sieg im Endspiel gegen Borussia Neunkirchen. Die unten stehende Geschichte zum Spiel haben wir der ETB-Chronik entnommen. Die sehr zu empfehlende und äußerst umfangreiche Chronik wurde in jahrelanger Arbeit von unseren Mitgliedern Gerd Krausenbaum und Heinrich Odenwald erstellt. Sie ist 644 Seiten stark und kann hier kostenlos gelesen und auch heruntergeladen werden: http://www.uhltras.de/chronik/schwarz_und_weiss_achte_auflage.pdf
Es ist der Morgen des 27. Dezember 1959. Ein Sonntag. Einer jener eisig-kalten Dezembertage, wie man sie kennt. Es ist drei Tage nach Weihnachten. Der Zugführer packt gerade seine Thermosflasche ein und verlässt seinen Dienstraum, um auf dem Bahngelände des Essener Hauptbahnhofs nach dem rechten zu sehen. Auf dem Nebengleis steht an diesem Morgen ein Sonderzug der Deutschen Bundesbahn. Rege Betriebsamkeit ist drum herum zu erkennen. Aus einem Fenster dieses Zuges flattert eine Fahne in den Schwarz-Weißen Farben. Menschen drängen in den Zug, der sich langsam füllt. Andere Anhänger, wie der Mitautor Heinrich Odenwald, fahren mit mehreren Bussen nach Kassel. Um 9 Uhr ist der „Samba-Zug“ mit viertausend Menschen rappelvoll. Im Zug sind an diesem kalten Dezembertag auch zwei spätere Fanclub-Mitglieder, Hermann Schiffmann und der im Jahre 2002 leider verstorbene „Bernie“ Höffgen. Um 9 Uhr 10 erschallt die Pfeife des Zugführers und der Zug setzt sich in Bewegung in Richtung Kassel, jenem Ort, an dem an diesem 27. Dezember 1959 der ETB Schwarz-Weiß Essen, ein Underdog aus dem Revier, Pokalgeschichte schreiben wird.
(…) Kommen wir nun zum 27. Dezember 1959 zurück. Inzwischen ist es Vormittag und der Sonderzug fährt in den Bahnhof Kassel-Wilhelmshöhe ein. Die Anhänger strömen aus dem Sonderzug. In der Nähe des Bahnhofs, auf der Wilhelmshöhe ist eine große Baustelle. Hoch auf dem Baukran weht eine Schwarz-Weiße Fahne. Hinterher stellt sich heraus, dass die Essener Baufirma Krupp-Bau dort gerade tätig war. Ein Teil der Fußball-Anhänger geht in Richtung Innenstadt, um sich in Kneipen und Cafes niederzulassen, ein anderer Teil macht sich schon über die Frankfurter Strasse auf den Weg ins Aue-Stadion. Aber nicht nur mit der Bahn fuhren die Anhänger nach Kassel. Einige hatten in Essen einen großen Auto-Konvoi gebildet und machten sich im Konvoi auf den Weg. Hupend die Dortmunder Stadtgrenze erreichend, wurde der Konvoi von der Polizei angehalten und verwarnt. Aber auch der Auto-Konvoi hatte wohlbehalten Kassel erreicht. Inzwischen trifft Essens Prominenz aus Sport und Politik langsam auf der Tribüne des Kasseler Aue-Stadions ein. Die Stehgerade auf der gegenüberliegenden Seite ist schon voll mit ETB-Anhängern. Gehen wir nach Essen zurück. Die Vereinsgaststätte „Uhlenkrug“ in Essen, gegenüber dem Uhlenkrug-Stadion (jetzt Sitz der Firma Spitthöver) hat Vereinswirt Heinrich Geitz erst vor ein paar Wochen übernommen. Die Theke ist voll und so langsam füllt sich der Schankraum. Ein Fernsehgerät ist auch schon vorhanden, aber das Pokal-Endspiel wird nur im Radio übertragen, und das auch nur als Einblendungen. Das Spiel fängt schon um 13.45 Uhr an, weil es im Kasseler Aue-Stadion keine Flutlichtanlage gibt, man eine Verlängerung mit einkalkulieren muss und es im Dezember schon früh dunkel wird. Deshalb werden ab 15 Uhr in der WDR-Sendung „Sport und Musik“ neben dem parallel laufenden Oberliga-West-Spieltag Einblendungen aus Kassel über den Rest der zweiten Hälfte gebracht. Am Abend kam vom Hessischen Rundfunk im Fernsehen (es gab damals nur das erste Programm) eine kurze Zusammenfassung des Spiels. Aber man hat eine Telefonverbindung zum „Uhlenkrug“ organisiert, worüber die Zwischenstände mitgeteilt werden. Der Schankraum ist erfüllt mit Stimmengewirr. Heftige Diskussionen über Taktik, Aufstellungen und Chancen beider Mannschaften sind entbrannt. Der Spielbeginn nähert sich. Knisternde Spannung. Der Schiedsrichter schaut auf seine Uhr und pfeift das Spiel um 13.45 Uhr an.
Während der ETB mit dem HSV und Hertha BSC wirklich starke Mannschaften bis zum Finale aus dem Weg räumen musste (man sprach von vorweg genommenen Endspielen) hatte der Final-Gegner Neunkirchen die vermeintlich schwächeren Gegner. Zu Beginn der Begegnung gibt es noch einen offenen Schlagabtausch auf beiden Seiten. Beide Teams versuchen möglichst schnell ein Tor vorzulegen. Besonders der ETB kommt mit der Ziehharmonika-Taktik der Neunkirchener (alle vor und alle zurück) zuerst nicht zu recht. Doch die Essener Deckung wird von Routinier Kasperski geschickt geführt und wird von Minute zu Minute sicherer. Das 1:0 erzielt der ETB. Dem noch blutjungen Torjäger Manni Rummel gelingt dieses Tor in der 25.Minute. Danach setzt sich der ETB mit zunehmender Spieldauer durch seinen besseren Spielaufbau und seine bessere Technik immer mehr durch. Mit 1:0 geht man auch in die Halbzeit. Kurz nach der Pause, in der 51. Minute, ist wiederum Manni Rummel zur Stelle und trifft zur 2:0-Führung für den ETB. Durch diese 2:0-Führung wird der ETB immer überlegener und nachfolgende Tore liegen förmlich in der Luft. Als Theo Klöckner nach einer hohen Hereingabe von Kalla Mozin in der 65.Minute zum 3:0 einköpft, fängt auf den Rängen unter den mitgereisten ETB-Anhängern die Feststimmung an. Der Schlager „Theo,Theo“ schallt von den Essener Schlachtenbummlern durch das schmucke Aue-Stadion. Die Neunkirchener versuchen zu reklamieren, denn ein Linienrichter hatte eine Abseitsstellung angezeigt. Aber es bleibt dabei: Der ETB führt mit 3:0. Mit der Sicherheit einer sicheren Führung beginnen die Schwarz-Weißen nun mit dem Ball zu zaubern und mit ihren technischen Trümpfen die Neunkirchener zu entnerven und zu demoralisieren. Abwehrspieler Heinz Ingenbold: „In den letzten 10 Minuten haben wir uns sogar die Frechheit erlauben können, es nur mit dem linken Fuß zu versuchen.“ Trainer Hans Wendlandt´s Team beginnt nun seine technischen Fähigkeiten auszuspielen und legt noch einmal nach durch den pfeilschnellen „Schotte“ Horst Trimhold. Der 18jährige Trimhold hat nach der 7. Essener Ecke (Gesamt-Eckenverhältnis 10:8 für Neunkirchen) den Ball wie ein Routinier zum 4:0 hoch ins Eck gezirkelt. Jeder rechnet jetzt mit einem zweistelligen Ergebnis, zumal Neunkirchens Verteidiger Lauck schon seit dem zweiten Tor verletzt in den Sturm gehumpelt war und Mittelstürmer Ernser seinen Platz in der Deckung übernahm. Schließlich kommt der Auftritt des Spielmachers und Filigrantechnikers Hubert Schieth. Schieth, der alle Fäden in der Hand hat, köpft eine Musterflanke des leichtfüßig dribbelnden und genau flankenden Hennes Küppers in der 85. Minute zum 5:0 ein. In der Euphorie des sicheren Sieges beschließen die Spieler bis zum Schlusspfiff nur mit links zu spielen. Als den Neunkirchnern trotzdem kein Tor gelingt, begnügt man begnügt sich, den Ball in den eigenen Reihen zu halten. Prompt kassiert das Team in den letzten Minuten des Spiels noch zwei Gegentreffer durch die Neunkirchener Ernser und Dörrenbächer. Zuerst versuchte die Essener Abwehr ihren Schabernack mit Neunkirchens Ringel. Es folgte ein Missverständnis mit dem herbeigeeilten Hermann Merchel und als Ringel sich die Torecke aussuchen wollte, griff Merchel in seine Beine. Ernser verwandelte zum 5:1. Merchel hatte seinen Ärger darüber noch nicht ganz hinunter geschluckt, da wehrte er einen von Läufer Harig geschossenen Flankenball so lasch ab, dass Dörrenbacher nur zum 5:2 einschießen brauchte.
Dies trübt jedoch nicht die gute Stimmung nach dem Abpfiff. Noch einmal dröhnen die Essener Schlachtgesänge durch das Aue-Stadion, als DFB-Spielausschussvorsitzender Hans Körfer „Ede“ Kasperski den Pokal überreicht. Dem hartgesottenen Ede, immerhin fast 250 Oberliga-Spiele für Dortmund und den ETB auf dem Buckel, standen laut Augenzeugen dabei die Tränen in den Augen. Ohne Zweifel ein Höhepunkt in der Karriere dieses ausgezeichneten Ausnahme-Fussballers. Nachdem der Mannschaft der Pokal übergeben wurde, läuft die Mannschaft mit dem Pokal zum Block der Essener Schlachtenbummler und feiert gemeinsam mit ihnen. Der Rückweg der ETB-Fans vom Aue-Stadion über die Frankfurter Straße zur Kasseler Innenstadt und dann zum Hauptbahnhof wird zum Festzug. Immer wieder erschallt das Lied „So ein Tag, so wunderschön wie heute, so ein Tag, der dürfte nie vergeh´n“. Inzwischen hat man auch in Essen das Unfassbare begriffen und Vereinswirt Heinrich Geitz fürchtet um sein Mobiliar. Einige Stunden später treffen Fans und Mannschaft wieder in Essen ein, und die Feier geht erst richtig los. Alle, die dabei waren, zehren noch heute davon. Dieses großartige Ereignis sollte uns Mut und Kraft geben, den Verein wieder aus seinem jetzigen Dornröschen-Schlaf zu wecken. Liest man die heutigen Fußballgazetten, so wird einem von den Millionenbeträgen schwindelig. Haben die damaligen ETB-Spieler vom Pokalsieg profitiert?
Nun, jeder Spieler hat für den Pokalsieg eine Prämie von 500 DM bekommen.
DFB-Pokalfinale am 27.12.1959 in Kassel (Aue-Stadion):
(Anmerkung: Der 27.12.1959, also drei Tage nach Weihnachten, war damals in ganz Deutschland in allen Ligen ein Spieltag)
Zuschauer: 21.000
Ergebnis: ETB SW Essen – Borussia Neunkirchen 5:2
SW Essen:
Torwart: Hermann Merchel (Geb.22.2.1937, vorher Wattenscheid 09 II)
Rechter Verteidiger: Kalla Mozin (Geb.27.9.1934, vorher Essen-West 81)
Linker Verteidiger: Gert Pips (Geb.28.3.1939, vorher ETB-Jugend)
Rechter Läufer: Heinz Steinmann(Geb.1.2.1938,vorher BV Steele 03/ ETB–Jugend)
Mittelläufer: Ede Kasperski (Geb.13.12.1923, vorher BV Brambauer, Bor.Dortmund)
Linker Läufer: Heinz Ingenbold (Geb. 4.6.1937, vorher Sterkrade 06/07)
Rechtsaußen: Horst Trimhold (Geb. 4.2.1941, vorher eigene Jugend)
Halbrechts: Hubert Schieth (Geb.26.1.1927, vorher SV Rödelheim, Eintr. Frankfurt)
Mittelstürmer: Manfred Rummel (Geb.22.7.1938, vorher FSV Kettwig)
Halblinks: Hannes Küppers (Geb.24.12.1938, vorher eigene Jugend)
Linksaußen: Theo Klöckner (Geb.19.10.1934, vorher VfB Speldorf)
Borussia Neunkirchen: Jirasek – Frisch, Schreier – Leist, Lauck, Harig – Follmann, Meurer, Ernser, Dörrenbächer, Ringel
Torschützen:
ETB: Trimhold, Schieth, Rummel (2), Klöckner
Neunkirchen: Ernser, Dörrenbächer
(AS)