Wir freuen uns sehr, dass sich Willi Lippens, eine der Kultfiguren des Essener Fußballs dazu bereit erklärt hat, uns „Schwatten“ ein Interview zu geben. „Ente“ Lippens kann auf 242 Bundesligaspiele zurückschauen, in denen ihm 92 Tore für Rot-Weiss Essen und Borussia Dortmund gelangen. Aufgrund der Corona-Pamdemie konnte leider kein persönliches Treffen stattfinden, aber auch so nahm sich der mittlerweile 75-Jährige viel Zeit für unsere Fragen. Das Interview führte Rolf Landes.

ETB: „Hallo Herr Lippens, die gesamte ETB-Familie gratuliert Ihnen nachträglich ganz herzlich zu Ihrem 75. Geburtstag am 10.11. und wünscht Ihnen vor allem Gesundheit und bald auch wieder frohe Stunden mit Freunden und alten Weggefährten. „Dank“ Corona musste eine große Feier ausfallen, wird die nachgeholt und wie haben Sie gefeiert?“

W.L.: „Danke für die Glückwünsche, 75 ist ja doch eine besondere Zahl. Wir haben im Familienkreis gefeiert. Ob eine große Feier folgen wird hängt davon ab, wie lange es dauert, bis das Risiko es zulässt.“

ETB: „Ihr Geburtsort ist Bedburg-Hau am Niederrhein. Ihre Mutter war Deutsche, Ihr Vater Niederländer. Was hatte ihn nach Deutschland verschlagen?“

W.L.: „Und ewig lockt das Weib, er hat seine Frau kennengelernt und ist dadurch in Deutschland gelandet.“

ETB: „Reden wir über Fußball. Wie beurteilen Sie die Entscheidung, dass die Regionalliga West im Gegensatz zu den anderen Ligen ihren Spielbetrieb fortsetzt?“

W.L.: „Das möchte ich mit einem Fragezeichen versehen, ich finde das nicht ganz in Ordnung. Man hätte sich an den anderen Regionalligen orientieren sollen.“

ETB: „Von einigen Seiten wird die Behauptung aufgestellt, dass auf Rot-Weiss Essen schwere Zeiten zukommen, wenn in dieser Saison der Aufstieg nicht gelingt. Wie sehen Sie die Situation?

W.L.: „Das hört man schon lange und RWE versucht ja seit Jahren aufzusteigen. Natürlich werden die Sponsoren ungeduldig. Es ist allerdings traurig, dass die in Essen ansässigen großen Konzerne sich lieber in der Bundesliga engagieren. Aber es ist einfacher, im Erfolg mit zu schwimmen wie beispielsweise bei Bayern oder beim BVB. Aber diese Firmen sind in Essen zu Hause und ich kann nur appellieren, wenn auch in kleinerem Rahmen, RWE und den ETB zu unterstützen, denn das sind die beiden Vereine, die deutschlandweit bekannt sind.“

ETB: „Sie haben 1971 ein Länderspiel für die Niederlande bestritten, wurden aber von den Mannschaftskollegen teilweise geschnitten und mussten sich von Rinus Michels und Willem von Hanegem dumme Bemerkungen anhören. Wären Sie einer zweiten Berufung gefolgt?“

W.L.: „Mein Vater wollte, dass ich für sein Heimatland spiele, später hat er eingesehen, dass das vielleicht doch ein Fehler war. Vor einer zweiten Berufung hätte ich allerdings auf einer Aussprache bestanden.  Ich hatte damals auch Kontakt zu Helmut Schön und im Nachhinein muss ich sagen, dass ich 1974 im WM-Endspiel lieber für Deutschland gespielt hätte, obwohl die Niederländer uns in der zweiten Halbzeit gewaltig eingeheizt haben.“

ETB: „Ihre Sprüche sind auch heute noch in aller Munde, nicht umsonst trägt Ihr Lokal in Bottrop den Namen „Ich danke Sie“. Mein Lieblingsspruch ist allerdings: „Wenn Du den Ball haben willst, musst Du einen von zu Hause mitbringen.“ Wem galt der Spruch?“

W.L.: „Berti Vogts, gegen den ich am liebsten gespielt habe. Ich musste nur mein Hinterteil etwas rausstrecken und schon trommelte er gegen meine Waden. Kleine Gegenspieler waren mir die Liebsten.“

ETB: „Ihr Lieblingsgegenspieler war also Berti Vogts, haben Sie heute noch Kontakt und wie ist das Verhältnis zu ihm. Und mit welchen ehemaligen Weggefährten pflegen Sie engere Beziehungen?“

W.L.: „Wir sehen uns, wenn wir mal irgendwo eingeladen werden. Wenn er mich entdeckt, stottert er immer noch. Ich habe noch einen engen Kontakt zu meinem ehemaligen RWE-Mitspieler Hansi Dörre, der jetzt in der Nähe von Siegburg wohnt. Wir telefonieren häufig und treffen uns auch.“

ETB: „Sie haben 1979 in Dallas, Texas 29 Spiele bestritten. Wie groß war damals die Umstellung vom deutschen zum amerikanischen Fußball und dem ganzen Drumherum?“

W.L.: „Das war eine andere Welt. Es war der Anfang des organisierten Fußballbetriebs in Amerika unter dem Dach der UEFA. Es war Dallas in Texas und dementsprechend war es auch. Wir hatten acht Nationalitäten in der Mannschaft, bei Besprechungen standen vier Dolmetscher dabei. Aber diese Zeit hat mich geformt, es war eine schöne Erfahrung.“

ETB: „Natürlich muss ich Sie auch zum ETB befragen. Haben Sie gegen uns gespielt, verfolgen Sie unseren Werdegang und besuchen Sie eventuell auch Spiele im Uhlenkrug?“

W.L.: „Ich habe oft gegen den ETB gespielt, damals waren wir ja noch in einer Klasse. Mein Gegenspieler war Kalla Mozin. Ihr hattet schon eine gute Truppe damals, angefangen mit Melches im Tor. Ich war beim ETB zum Probetraining bevor ich zu RWE wechselte, aber euer damaliger Trainer wollte mich nicht, er meinte: „Der läuft so komisch“. Natürlich verfolge ich den ETB in der Presse, leider bin ich zu selten am Uhlenkrug, das letzte Mal war vor drei Jahren beim Spiel ETB – RWE, wo wir uns ja auch trafen.“

ETB: „Zum Abschluss müssen wir noch das aktuelle Geschehen ansprechen. Spanien – Deutschland 6:0!!! Uns interessiert Ihre Analyse der Begegnung, ist Löw noch der richtige Mann oder sollte beispielsweise Ralf Rangnick den Posten übernehmen und ist es nicht sinnvoll, Boateng, Hummels und Müller zurück zu holen?“

W.L.: „Löw hat das Problem wie alle Trainer, die schon lange im Amt sind. Mit der Zeit geht der Respekt verloren und das muss ein Trainer einsehen. Die Zeiten, wo ein Trainer wie seinerzeit Otto Rehhagel 14 Jahre in Bremen in Amt und Würden war, sind vorbei. Sein damaliger Präsident Böhmert soll ja sogar geäußert haben, dass sich der Vertrag automatisch um zwei Jahre verlängert, sobald Kritik am Trainer laut wird. Zu den drei ausgemusterten Spielern folgendes: Ich würde sie sofort zurückholen.“

ETB: „Danke für das ausführliche Gespräch, Herr Lippens. Passen Sie auf sich und Ihre Familie auf, bleiben sie gesund, dann werden wir uns in Bottrop wiedersehen, sobald das möglich ist.“

(AS)